Parocktikum

Picture of front coverTitle: Parocktikum
Format: 1LP
Company: Amiga
Ordering Number: 8 56 409
Matrix Numbers: 8 56 409 + 1A    C89 E C / 8 56 409 + 2A    C89 E C
Country: Germany (GDR)
Year: 19??
 
Side 1:
  1. Hard Pop    Katjuscha    1:45
  2. Die Skeptiker    Egal    2:36
  3. Feeling B    Unter dem Pflaster    2:42
  4. Zorn    Touristen    2:53
  5. Rosengarten    Bessere Zeiten    3:18
  6. Die Art    Sie sagte    2:15
  7. Sandow    Schweigen und Parolen    3:34
Side 2:
  1. Die Anderen    Gelbe Worte    3:40
  2. AG Geige    Die Möbiusband / Zeychen und Wunder    2:50
  3. Der Expander des Fortschritts    Der fremde Freund    4:45
  4. Cadavre Exquis    Tränen von Soweto    4:51
  5. Hard Pop    Schlaflied    4:25
Als am Dienstag, dem 27. März 1986 die erste Ausgabe des PAROCKTIKUMS auf den Frequenzen von Jugendradio DT64 zu hören war (damals noch einmal im Monat, eine Stunde lang) hat wohl niemand damit gerechnet, daß es einmal eine LP geben würde, die 12 Titel von 11 Gruppen präsentiert, welche speziell für die Sendung aufgenommen wurden. Damals gab es gerade einen Konzertmitschnitt von HARD POP.
Was lag also näher, als den Eröffnungssong der HARD POP-Konzerte als Vorspann für das PAROCKTIKUM zu nehmen. Die Idee, die hinter dem Sendungskonzept steckt, wird in dieser ,,Katjuscha"-Fassung deutlich: Die traditionelle Musikauffassung im Hinterkopf auf Entdeckungsreise gehen in den Gefilden von Experiment und musikalischer Neugestaltung. Daß dabei dem Althergebrachten hin und wieder Gewalt angetan wird, bleibt nicht aus und fordert die Toleranz des Handwerkers. Gerade dieses Spannungsfeld zwischen Handwerk und Dilettantismus macht wohl den Reiz dessen aus, was in der Popmusik jenseits von Hitparaden und schöngeistiger Gebrauchswerte existiert. Dabei treffen Musiker aufeinander, für die einerseits die Beherrschung ihres Instrumentes oder die Fähigkeit, einen gut funktionierenden Song zu schreiben im Vordergrund steht, wie im Falle der SKEPTIKER; andererseits die unbedingte Identifikation mit der Lebenshaltung ihres Publikums wichtiger ist, als die Brillanz einer perfekten Präsentation, wie es uns bei FEELING B begegnet. Das Angenehme bei beiden: sie sind jedenfalls in der Lage, eine unverlogene Beziehung zum Hörer ihrer Musik aufzubauen. Eine Beziehung, die nicht durch ein aufgesetztes Image gekennzeichnet ist, sondern dadurch, daß man nach dem Konzert in der gleichen U-Bahn nach Hause fährt und am nächsten Tag im gleichen Cafe' an der Ecke über gemeinsame Probleme reden kann, ohne in Autogrammjäger und Autogrammgeber unterschieden zu werden. Wenn ZORN aus Leipzig in einem kleinen Klub der Messestadt spielt, braucht es keine Notiz in der Bezirkspresse, denn die hundert Leute, die den Raum füllen können, erfahren es von Freunden bei der Arbeit, an der Bushaltestelte, auf der Straße. Die äußeren Bedingungen sind dabei recht verschieden. In der Stadt Salzwedel gehören zu den fünf Musikern von ROSENGARTEN vielleicht zwanzig Fans, die zu einem Konzert der Band ins städtische Kulturhaus kämen. Da erregt die Gruppe schon eher Aufsehen bei den regionalen Kulturbehörden, als eine vergleichbare Band in Berlin oder Leipzig. Die auf dieser Platte vorgestellten Gruppen existieren alle seit mindestens zwei Jahren, einige länger, die meisten schon nicht mehr in ihrer Erstbesetzung. Die Aufnahmen sind in der Zeit zwischen Oktober 1987 und September 1988 entstanden (mit Ausnahme der HARD POP-Songs, die 1985/86 eingespielt wurden). Die Gruppen befinden sich in ständiger Entwicklung, immer wieder entstehen neue Songs. Was hier zu hören ist, muß als Rückblick auf einen bestimmten Zeitraum verstanden werden, denn die Produktionen für das PAROCKTIKUM wurden fortgeführt. Schon jetzt liegen weitere Bänder bereit. Die Leipziger Band DIE ART hat seit ihrem Mitschnitt vom November 1987 bereits diverse neue Stücke im Programm. Nach der Veröffentlichung einiger SANDOW­Titel auf der ,,Kleeblatt" Nr.23, scheint der Song auf dieser Platte von ganz anderer Auffassung der jungen Musik zu zeugen. Ähnlich geht es DEN ANDEREN aus Berlin, die, mittlerweile Profis, ihre ,,alten" Songs nur noch als Beigaben zum komplett neugestalteten Programm spielen. Gemachte Erfahrungen führen dazu, daß vor Jahresfrist Produziertes eigentlich schon nicht mehr den aktuellen Intentionen entspricht. Hinzu kommt, daß die meisten hier vorgestellten Aufnahmen Ergebnis der ersten Begegnung der Bands mit professioneller Aufnahmetechnik und -technologie bedeutet. Der Mangel an Erfahrung und das relative Ausgeliefertsein an eingefahrene Vorgänge bringen Einbußen bei der Umsetzung der ursprünglichen Konzepte. Die einzigen, die die Möglichkeit hatten, Aufnahmen in eigener Regie für diese Platte anzufertigen, waren die Musiker der AG GEIGE, deren Song im Tonstudio des Karl-Marx-Städter Schauspielhauses produziert wurde. Eine Variante anderer Art stellt der Produktionsvorgang des Titels vom EXPANDER DES FORTSCHRITTS dar: die Aufnahme entstand in einer kleinen Galerie per 16-Spur-U-Wagen. Die verschiedenen Versuche, praktikable Methoden zu finden, relativ untypische Rockmusikkonzepte zu produzieren, haben gezeigt, daß oft die konventionelle Studiovariante am effektivsten ist, solange sich alle an einer solchen Aufnahme Beteiligten gut aufeinander einstellen, was schließlich Voraussetzung für jede gute Produktion ist. Die Aufnahme des Titels der Berliner Gruppe CADAVRE EXQUIS im Digital-Studio des Rundfunks belegt das. Natürlich hat die Normalisierung der Produktionsvorgänge auch Einfluß auf die Herangehensweise an die erzielten Ergebnisse. Will sagen: Nachdem innerhalb von 2 bis 3 Jahren die ,,neuen" musikalischen Konzepte ihren Außenseiterstatus verteidigt haben, und ihren Platz innerhalb des Spektrums populärer Musik in der DDR einnehmen, muß jetzt auch ihre Einschätzung nach allgemein gültigen Maßstäben erfolgen. Daß dabei die Berücksichtigung der Eigenheiten ,,dieser" Szene nicht vergessen werden darf, ist keine Frage. In der Zeit von 1986 bis jetzt sind nicht nur eine Unmenge neuer Bands entstanden (und haben sich teilweise wieder aufgelöst), es hat sich auch eine Differenzierung des Publikums ergeben, woraus wiederum folgt, daß die Ansprüche an die Gruppen weit vielschichtiger sind, als noch vor drei Jahren. Neben den vielen puren Klubbands gibt es jetzt immer mehr Medien-Bands, was nicht zwanghaft bedeuten muß, daß sich diese Bands den Bedingungen der üblichen Vorgänge bei den Medien anpassen. Oft tut es wohl zu erleben, daß sich innerhalb der Medien da und dort Veränderungen abzeichnen. Die vorliegende Platte versteht sich in diesem Sinne als Angebot innerhalb einer (zu schaffenden?) Vielfalt. Das gleiche Anliegen verfolgt die Sendung, die dieser Platte den Namen gab.
Lutz Schramm [Taken from the liner notes]


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